Das Schulhaus Scharrerstraße 33 hatten schon meine älteren Geschwister besucht. Meine große Schwester hat ihrem Lehrer die sechs "Pföitschla", die sie unschuldig erdulden musste, nie verziehen. Außerdem wurde in der Familie immer wieder erzählt, dass sie eines Tages entsetzt heimgekommen wäre: "Wir bekommen im nächsten Schuljahr den Streicher als Lehrer!"
Kuno Pohrer
Der ehemalige Scharrerschüler Kuno Pohrer besuchte von 1930 -1936 die Lehrerbildungsanstalt Schwabach und wurde selbst Lehrer. Nach Krieg und Gefangenschaft begann er dann im Herbst 1947 als Lehrer an seiner alten Schule. Bis 1968 unterrichtete er an der Oberstufe der Scharrerschule. Dann wurde er erst Rektor an der Julius-Leber-Straße, anschließend an der Georg-Ledebour-Straße in Langwasser.
Es kam dann doch nicht so weit. Vater hat sie in ein Mädchen-Lyzeum übertreten lassen. Im gleichen Frühjahr 1923 wurde ich in der protestantischen Schule der Scharrerstraße eingeschult. Wahrscheinlich sind beide elterlichen Entscheidungen auch im Hinblick auf Streicher getroffen worden.
Zu spät konnte ich zum Unterricht nicht kommen, denn jeden Werktagmorgen gegen sieben Uhr klapperten Hunderte von Füßen über das Pflaster unter meinem Schlafzimmer Peterstraße 4. Das waren die "Bingerer". Sie kamen von der Haltestelle der Straßenbahn an der Peterskirche und marschierten zur Firma Bing in der Schloßstraße. Sie stellten Blechspielzeug her.
Uns Schulanfänger unterrichtete Herr Roedel. Ich habe ihn als pestalozzischen Kinderfreund in Erinnerung. So schüchtern und ängstlich ich auch war, zu ihm hatte ich bald Vertrauen. Nach dem ersten Halbjahr der dritten Klasse kam Hans Schiller. Er war Bezirksoberlehrer. Über die jungen Lehrer, die nun zu uns ins Klassenzimmer kamen, waren wir nicht sehr froh. Uns war es lieber, mit unserem Schiller allein zu sein. Er hatte es verstanden, uns unterrichtlich zu fesseln. Später ist er Schulrat geworden. Sein Dienstzimmer war im ersten Stock des Schulhauses, über dem Knabeneingang.
In der 5./6. Klasse übernahm uns Christian Schorr. Da im Schulhof das Fußballspielen verboten war, führte er uns nachmittags manchmal auf die Betzenwiesen, einen sandigen Platz über dem Goldbachufer. Er zeigte uns auch seinen Gemüsegarten. Mit ihm ist mir erstmals ein begeisterter Gartenliebhaber begegnet.
Einmal jede Woche durften wir ins Volksbad. Während der Zehnuhrpause traten wir vor dem Schulhaus an, sämtliche beteiligte Knabenklassen in Dreierreihen, auf Vordermann und ausgerichtet. Wehe, es klappte nicht. Immer wieder erschreckte mich die Kasernenhofstimme des zuständigen Lehrers: Rechtsum! Ohne Trittmarsch! So zogen wir in Kolonne auf dem Fahrweg ins Volksbad. Dort lernten wir, einen Gurt um den Leib, an einem Strick im Wasser hängend, die Schwimmbewegungen. In militärischer Ordnung ging es dann wieder zurück zum Schulhaus. Unser "Bad-Führer" ist später ein hoher SA-Führer in Nürnberg geworden.
Meine letzte Klasse im Scharrerschulhaus, die 7., besuchte ich bei Hugo Hormes. Er war anders, als wir es gewöhnt waren. Da war ein geschwungener Hutrand und Halbschuhe mit Kreppsohlen. Alle unsere Lehrer hatten einen hohen steifen Kragen getragen. Seiner war weich und umgeschlagen. Es ging lockerer zu, ohne dass wir uns Disziplinlosigkeiten erlauben durften.
Wir waren eine gemischte Klasse vom 1. Schultag an. Etliche Väter waren Straßenbahner, viele Handwerker, auch selbständige Kaufleute. Der Rest der Klasse stammte aus Arbeiterfamilien. Einige wurden von der Fürsorge überwacht. Das waren meist Kinder aus dem Ludwigsfeld, deren Familien in den Lazarettbaracken aus dem ersten Weltkrieg wohnten. Sie galten als schmuddelig und es gab Eltern, die sehr aggressiv reagierten, wenn in der Nähe ihres Kindes "so einer" saß.
Mein Schulweg war nicht weit. Oft ging ich entlang der Regensburger Straße heim. Da standen dann vor der "Stadt Neumarkt", einem Wirtshaus am Ende des Petersfriedhofes, meist ein gutes halbes Dutzend Pferdefuhrwerke. Sicher gab es schon Autos, aber auf die Gespanne konnte man noch nicht verzichten. Die Futterkrippe hing an der gestützten Deichsel und die langmähnigen, kräftigen Tiere im gewienerten Geschirr, ließen sich schnaubend Häcksel und Hafer schmecken, während die Fuhrleute bei ihren Brotzeiten saßen.
Meist gingen wir aber durch die Peterstraße heim, an der Ofenfabrik Rießner vorbei. Mein Freund und ich kickten dort einmal einen alten Rosttopf. Als Heinz ihn packte und über den Zaun des kleinen Vorgartens warf, kam schon wutentbrannt der Hausmeister. Heinz war davongerannt und ich bekam die "Watschn", weil ich guten Gewissens stehen geblieben war. Das ist in meiner Erinnerung die einzige körperliche Züchtigung während meiner Schulzeit in Gleißhammer."
Scharrerstraße 33 • 90478 Nürnberg
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